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Bittere Schokolade

Es tut mir im Herzen weh, diesen Beitrag zu schreiben. Ich liebe Schokolade und ich würde sie als meine grösste Lebensmittelsünde bezeichnen. Und trotzdem ist es ein Thema, dass  man ansprechen sollte. Denn die Herstellung von Schokolade ist bei langem nicht so süss und perfekt, wie das Endprodukt.

Schokoladenkonsum (Abstand vor Titel, H2, Titel Normal, Titel Fett)

Europa ist weltweit Spitzenreitere beim Konsum von Kakaoprodukten. Die Schweiz liegt mit einem jährlichen pro Kopf verbrauch von 11.1 kg weit vorne – aber unsere Schokolade ist auch unvergleichbar;) Die Schweiz ist einer der grössten Handelsplätze für Kakao weltweit. Mindestens 30% aller Kakaobohnen werden in hiesigen Unternehmen gehandelt.

Marktmächte

Kostenanteile des Rohkakaos: 44.2% Supermärkte 35.2% Schokoladenhersteller 7.6% Verarbeiter & Vermahler 6.6% Kakaobauer 4.2% Staatliche Behörden (im Anbauland) 2.1% Zwischenhandel & Transport Hier wird ersichtlich, dass einen Grossteil der Marge die Supermärkte und die Schokoladenhersteller einbehalten. Was es eigentlich einfach machen sollte, den Bauern einen grösseren Anteil zuzusprechen. In der Kakaoverarbeitung und im Handel gibt es stark dominierende Unternehmen. 65% der globalen Ernte konzentriert sich auf 3 Gesellschaften: 29% Barry Callebaut 19% Cargill 17% Olam International Auch ich habe noch nicht viel von diesen Unternehmen gehört, da diese ihre Produkte oft weiterverkaufen. Zu den grössten Schokoladenhersteller gehören folgende: 9.9% Mars 7.7% Nestle (Schweizer Marke) 6.8% Ferrero Group 6.7% Mondelez 6.2% Herschley 3.2% Lindt & Sprüngli (Schweizer Marke)

Herkunft der Schokolade

70% der Schokoladenernte weltweit kommen aus Westafrika vor allem von der Elfenbeinküste und Ghana Damit die steigende weltweite Nachfrage gedeckt werden kann, wird geschützter Regenwald illegal abgeholzt. Schätzungsweise 1/3 des in der Elfenbeinküste produzieren Kakaos stammt von Flächen aus illegaler Rodung. Um den Ertrag zu erhöhen, werden ausserdem Praktiken angewandt, welche die Böden auslaugen. So muss nach 20 Jahren eine neue Fläche gerodet werden, da die alten Plantagen keinen Ertrag mehr bringen. Kakaoproduzenten haben sich verpflichtet, keine Regenwälder mehr zu roden und Kinder zur Schule zu senden. Kinderarbeit wird an der Elfenbeinküste sogar mit 6 Monaten Gefängnis bestraft, das Problem sie lässt sich selten nachweisen und es gibt wenige bis gar keine Kontrollen. Da die Kinderarbeiten oft auf nicht angemeldeten, illegalen Plantagen stattfinden.

Kakaoanbau

Pestizide werden im Übermass verwendet. Unkrautvernichter werden am Strassenrand verkauft. Die Flaschen enthalten keine Inhaltsstoffangaben und manchmal nicht einmal Etiketten mit Warnzeichen wie Totenköpfe oder benötigter Schutzkleidung. Am meisten wird Glyphosat verwendet. Es handelt sich um ein Totalherbizid, dass sämtliche Pflanzen tötet und hochgiftig ist. Ohne Schutzkleidung kann es auch Menschen krank machen und sogar zum Tot führen. Die Pestizide werden im Normalfall ohne Schutzkleidung gespritzt. Um das Land für den Kakaoanbau vorzubereiten, werden zuerst die Bäume abgebrannt. Dann wird alles was noch wächst mit Pestiziden vernichtet und auf dem zerstörten und vergifteten Boden wird der Kakao angebaut. Da Kakaopflanzen viele Nährstoffe benötigen, ist der Boden nach ungefähr 20 Jahren absolut wertlos und die Plantage muss versetzt werden. Mit dieser Technik wurden von 1990 bis 2015 über 90% der ivorischen Wälder (Elfenbeinküste) gerodet. Dort wächst jetzt Kakao oder weil die Böden ausgelaugt und vergiftet sind gar nichts mehr.

Illegale Plantagen

Die Plantagen liegen in Waldschutzgebieten an der Grenze der Elfenbeinküste zu Liberia. Eigentlich darf man dieses nicht einmal ohne Erlaubnis betreten. Aber grosse Teile werden trotzdem gerodet. Von den Satelliten aus sehen die gerodeten Flächen noch grün aus, was es schwierig macht sie zu erkennen. Aber die Flächen sind nur grün, wegen der Kakaopflanzen. Die Vegetation ist tot und die Kakaopflanze mit dem giftigen Dünger zerstören den Boden nachhaltig. Die Wege zu den Kakaoplantagen werden oft von Milizen gezäumt, Kakaotransporte müssen bezahlen, um durchzukommen. Reporter kommen meistens gar nicht durch. Die Ranger, die das Land schützen müssten, ignorieren die illegalen Kakaofarmen und müssen so die Kontrollposten der Milizen gar nicht erst überqueren.

Legaler oder illegaler Kakao unterscheiden

Es ist praktisch unmöglich, in einem Produkt legale von illegalen Bohnen zu unterscheiden. Den bei lokalen Kakokäufern werden die beiden miteinander vermischt. Viele Säcke sind nicht markiert. Dies ist bewusst so gehandhabt, damit der illegale Kakao nicht erkannt wird. Viele dieser lokalen Kakaokäufer sind zertifiziert und verkaufen ihren Kakao dann an Exporteure wie zum Beispiel Cargill. Cargill kenne wir Konsumenten eher weniger. Es handelt sich um ein weltweit tätiges Agrarunternehmen, dass Rohmaterial einkauft und verarbeitet oder unverarbeitet weiterverkauft. Sie verkaufen die Kakaobohnen weiter an Süssigkeitenproduzenten, wie zum Beispiel, Nestle, Mars oder Lidl. Cargill versucht Kinderarbeit zu verhindern, indem sie für nachhaltig angebauten Kakao 50% mehr bezahlen. Dieses Geld geht an den Chef der Kooperative und dieser sollte es weitergeben. Ob das Geld bei den Bauern ankommt, kann niemand genau sagen. Cargill verspricht zwar sauberen Kakao – und dieses Versprechen dürfen die Käufer (z.B. Nestle, Mars, etc.) übernehmen – aber ich konnte keine Quelle finden, in der Cargill von Kontrollen vor Ort sprach.

Kakaobauern

Der Nettoumsatz der Schokoladenindustrie beträgt 100’000’000’000 Milliarden (100 Milliarden) Dollar pro Jahr. Ein durchschnittlicher Kakaobauer verdient weniger als 1 Dollar pro Tag. Geschätzt gibt es ungefähr 6 Millionen Familienbetriebe, die auf sich allein gestellt sind. Denn Kakao wird, im Gegensatz zu vielen anderen Rohstoffen, nur von Kleinbauern angebaut. Es gibt keinen Grosskonzern, der selbstständig Kakao anbaut. Kakaobauern arbeiten hart und verdienen fast nichts. Von 1986 auf 2016 wurde 1 Tonne Kakao 50% günstiger. Das heisst die Bauern verdienen sicherlich 50% weniger als noch vor 35 Jahren. Heute kann eine Bauerfamilie die eigene Grundversorgung nicht sichern. In Ghana bekommt ein Bauer 0.50 Dollar pro Kopf und Tag. Die Armutsgrenze liegt bei 2 Dollar. Und nicht einmal 10% der zertifizierten Farmen (z.B. Fairtrade) verdienen ein existenzsicherndes Einkommen. Deshalb müssen oft die Kinder bei der Arbeit mithelfen. Geschätzt 2 Millionen Kinder arbeiten unter ausbeuterischen Bedingungen auf Kakaoplantagen. Da die Bauern auf die Hilfe der Kinder angewiesen sind und sich die Schule sowieso nicht leisten können, fällt die Schulausbildung für die Kinder komplett weg. Es gibt also auch in Zukunft für die Kinder keine Möglichkeit etwas anderem nachzugehen als der Kakaoernte. Auch die Frauen haben keine Chance auf ein anderes Leben. Denn auf den Kakaofarmen haben Frauen keine Rechte.

Moderne Sklaverei

Auf illegalen Plantagen leben viele illegale Arbeiter. Es sind nur Männer und Jungen erlaubt. Schätzungen gehen davon aus, dass 1/3 der Arbeiter Kinder sind. Sie trinken das schmutzige Wasser und leben von selbst angebauten Pflanzen. Trotzdem ist das Leben für sie dort besser, denn die meisten sind Einwanderer aus Burkina Faso und zählen zu den Ärmsten der Armen. Sie sind geflüchtet vor Dürre, Hunger und der wachsenden Gewalt im eigenen Land. Kinder arbeiten jahrelang ohne Bezahlung, bis sie von ihrem «Chef» etwas Land bekommen und dort selbst Kakao anbauen können. Einen Teil des Geldes aus diesem Kakaoanbau dürfen sie behalten. Bei zwei Beispielen hat es 5 und 6 Jahre gedauert, bis die Kinder eine eigene Parzelle bekommen haben. Mit einer eigenen Parzelle werden ungefähr 1.5 Kilo Kakao geerntet werden, das ergibt ungefähr 240 Dollar. Damit muss der Besitzer der Parzelle leben und somit kann er das System nicht durchbrechen und muss auch wieder Kinder für Kost und Logis für sich arbeiten lassen. Laut den «Chefs» arbeiten die Kinder nicht gratis, sondern eben für Essen und die Aussicht auf eine eigene Parzelle. Sie arbeiten also einen willkürlichen Betrag ab, um dann irgendwann mit etwas Glück eine eigene Parzelle zu erhalten und Geld zu machen. Die Kinder sind entweder Flüchtlinge und mit ihren Familien über die Grenze gekommen oder Eltern aus Burkina Faso haben sie verkauft. In den Grenzstädten können Plantagenbesitzer die Kinder für ungefähr 340 Dollar kaufen und das Kind arbeitet dann zwischen 2-4 Jahren gratis auf den Plantagen.

Lösungen für die Kinder

Kinder von Farmereltern dürfen am Wochenende den Eltern auf den Plantagen helfen. Das ist in der Schweiz auch gängige Praxis, wenn man auf einem Bauernhof aufwächst. Das ist auch nicht illegal, solange die Kinder unter der Woche zur Schule gehen. Das Problem mit Kinderarbeit ist vor allem, dass sie sehr schwer nachzuweisen ist. Lösungsansätze sind vor allem, dass man über die Eltern geht. Wird der Kakao gut bezahlt, haben die Eltern genug Geld, um die Kinder zur Schule zu schicken. Sind die Farmer:innen ausgebildet und sensibilisiert, können sie auch nachhaltiger Wirtschaften und den Ertrag steigern. Denn Eltern möchten ihre Kinder zur Schule schicken, können dies aber selten bezahlen. Oder wann, dann nur mit grossen verzichten. Ein Beispiel aus einem Beitrag: Ein Vater musste sich für ein Kind entscheiden. Eines kann zur Schule und danach sogar studieren gehen, die anderen Kinder müssen dafür auf der Plantage arbeiten und haben keine Möglichkeit zur Schulbildung. Ein anderes Beispiel: In einem Dorf haben sich alle Familien zusammengetan und bezahlen den Lehrer selbst. Reicht das Geld nicht, wird der Lehrer mit Essen bezahlt. Schon vor 2001 beschliessen grosse Kakaofabrikanten das Ende der Kinderarbeit, sie gründen die World Coca Foundation, die soll soziale Standards etablieren und verbessern. In den letzten 20 Jahren hat sich aber viel zu wenig getan. In den USA wurden Nestle und Cargill wurden wegen Kindersklaverei angeklagt. Es geht um 1.5 Millionen Kinder und davon üben 95% die schlimmste Art von Arbeit aus, und zwar Pestizidausbringung, Ernten mit Macheten und tragen von schweren Lasten. Die Unternehmen erkennen an, dass es in der Branche Kindersklaverei gibt, weisen aber jegliche Verantwortung dafür ab.

Wie du nachhaltiger Schokolade konsumieren kannst

Am besten ist es natürlich wie immer, den Konsum zu reduzieren. Aber ich als offizielle Schokoladensüchtige weiss, dass das nicht so einfach ist. Trotzdem ist mein Tipp, dass du es versuchst. Ich habe zum Beispiel angefangen nur noch Schokolade zu essen, die ich selbst zu etwas verarbeitet habe. Also Kuchen oder Cookies. So verzehrst du automatisch weniger Schokolade. Aber natürlich braucht es ab und zu einfach mal so Schokolade. Zumindest in meinem Leben. Ich achte sehr darauf, was ich für Schokolade kaufe. Schweizer Schokolade ist nun mal unschlagbar. Wenn du also weiterhin Schweizer Schokolade kaufen möchtest, dann achte darauf, wie sie produziert wurde. Am besten ist die Schokolade, die direkt vor Ort verarbeitet und hergestellt wird. Da dann die lokale Industrie am meisten davon hat. Aber irgendwie ist es ja dann keine Schweizer Schokolade mehr=) Nächste Woche werde ich hier einen Beitrag zu den Schokoladensiegeln hochladen. Dass sollte dir zusätzlich helfen, die richtige Schokolade auszuwählen. Hast du dann deine Schokolade gefunden, kannst du sie guten Gewissens – aber vielleicht im Masse – geniessen.

* Ich versuche für all meine Blogeinträge genau zu recherchieren und habe meine Informationen aus verschiedenen Artikeln und Dokumentationen, die ich dann abgleiche und nachschlage. Manche Zahlen sind schwer zu erheben und andere sind bereits etwas älter, da es keine aktuellen Zahlen gibt. In meinen Beiträgen geht es darum, dir ein Bild zu verschaffen und dir Verhältnisse aufzuzeigen. Deshalb gehe ich den Kompromiss ein, dass vielleicht einige Zahlen nicht zu 100% der Realität entsprechen. Solltest du aber bei einer Aussage andere Informationen haben, bitte teile mir deine Fakten mit, ich möchte auf gar keinen Fall Fehlinformationen vorbereiten.

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